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Mittwoch, 19. März 2014

Techtalk: Der TDR Feedback Compressor II

Vorweg: Anlässlich des TDR FBC II, verzapfe ich ->an anderer Stelle einige grundlegende Gedanken zum Prinzip der Feedback-Kompression.

Wie in der ->Vorstellung des Plugins bereits angesprochen, sind die Parameter des TDR FBC teilweise ungewöhnlich, mitunter sogar exotisch. Dabei tragen sie alle zum schlüssigen Gesamtkonzept bei.

Zwei Release-Zeiten

Zunächst stechen statt einem gleich zwei Regler ins Auge, die beide zum Einstellen der Releasezeit(en) dienen. Diese Dualität ist einem speziellen Vorgehen des TDR geschuldet. Er verfügt nämlich über zwei Detektoren zur Erfassung des Pegels. Zum einen einen Peak-Detektor, der die Spitzen des Materials misst. Zum anderen einen RMS-Detektor, der den Effektivwert misst.


Ein perkussives Instrument (z.B. eine Snare) hat verhältnismäßig hohe Peaks bei geringen RMS-Werten. Ein lang anhaltender, gleichmäßiger Ton (z.B. stark verzerrte Gitarre) produziert einen recht hohen RMS ohne auffällige Peaks.
Der duale Release des TDR bietet nun z.B. die Möglichkeit, nach einzelnen Drum-Schlägen schnell wieder aufholen zu lassen, so dass die Transienten heraus kommen ohne dann andere Signalanteile zu bedämpfen. Gleichzeitig kann der RMS-Release langsamer arbeiten, so dass unerwünschte Nebeneffekte vermieden werden. Speziell gegen das gefürchtete Pumpen, welches sich als unnatürliche Lautheits-Wahrnehmung äußert. (Besonders gut wahrnehmbar auf einzelnen Quellen im Mix, wie z.B. Bässen oder Synth-Flächen.)
Tokyo Dawn Labs empfehlen im Handbuch Einstellungen von 25-200 Millisekunden für Peak-Release und mehr als 160ms bei RMS. (Meine niedrigen Werte im oberen Bild, liegen darin begründet, dass es sich um einen sehr schnellen, perkussiven Metalsong mit vielen, kurzen Noten handelt. ;-D Außerdem trägt die Arbeitsweise mit dem sehr geringen Threshold dazu bei.)

Der Peak Crest

Mit dem Threshold eines Kompressors bestimmen wir, ab welchem Pegel der Kompressor arbeiten soll. Dem TDR müssen wir nun auch noch mitteilen, ab wann er das Signal als Peak behandeln soll bzw. wo es noch als RMS gilt. Dies geschieht mithilfe des Reglers "Peak Crest". Wenn dieser Wert auf Null steht, so wird alles als Spitze gewertet was über dem Threshold liegt. Je höher wir ihn drehen, desto weniger Peaks wird der TDR FBC erkennen (alles ab Threshold + Peak Crest). Dann arbeitet der RMS-Modus häufiger. Mein Tipp für die Rockmusiker: nutzt den Peak Crest so, dass der TDR eure wichtigen Drums (vor allem Snare und Kick) noch gut erkennt, aber Eure Riffs, Bässe und Gesänge ordentlich verdichtet.
In diesem Beispiel werden ab -26,6 dB (-35,0 + 8,4) Peaks erkannt.


Zwei Kompressionen gleichzeitig?

Der unscheinbare Schalter "Peak Ratio", erweitert die Möglichkeiten der zwei Detektoren nochmals. Wird er auf Lim (für Limit) gesetzt, so werde alle erkannten Peaks mit einer Ratio von 7:1 abgefangen, wohingegen die restliche Kompression dezenter erfolgen kann. Der TDR funktioniert dann tatsächlich wie zwei Kompressoren gleichzeitig.
Auf diese Weise lässt sich dann der Gesamt-Pegel dann stärker anheben, als bei einer ausschließlich moderaten Ratio.

Stereo Difference? Mir doch egal!

Viele Kompressoren bieten die Möglichkeit beide Kanäle immer gleichermaßen herunter zu regeln (Stereo-Link) oder den linken und den rechten Kanal unabhängig zu behandeln (dual Mono). Im letzteren Fall können Signale, die ursprünglich in der Mitte liegen, von lauten Seitensignalen verschoben werden. Daher ist solch ein Betrieb für einen Summenkompressor völlig fehl am Platz und konsequenter Weise im TDR nicht vorgesehen. Wenn Ihr etwas derartiges möchtet müsst Ihr Euch ein entsprechendes Routing basteln und zwei Mono-Instanzen des Plugins nutzen.

Aber der TDR bietet die Möglichkeit, den jeweils lautesten Kanal (links oder rechts) zur Steuerung der Kompression zu nutzen. Diese Vorgehen entspricht dem typischen Stereo-Link der meisten Kompressoren.
Was besonders ist: Wir können stattdessen auch einen Mono-Mix aus beiden Kanälen benutzen, um die Verdichtung zu bestimmen. Dazu stellen wir den “Sidechain Stereo Diff” Regler auf Null Prozent. Mischungen zwischen Hochpegel-Kanal und Mono-Mix sind ebenfalls möglich.

Gehen wir davon aus, dass der rechte Kanal einen sehr hohen Pegel führt. Ein typischer Kompressor im Stereo-Link (“Stereo Diff” auf 100%) würde nun stark komprimieren. Dabei wäre es völlig egal, wie hoch der Pegel im linken Kanal ist, so lange er unterhalb des rechten bleibt.
Wird für die Regelung allerdings ein Mono-Mix genutzt (Stereo Diff senken), so wirkt sich der niedrigere Kanal immer mit aus. Ist der linke Kanal in unserem Beispiel sehr "leise", fällt auch die Kompression geringer aus. Nähert sich der linke Pegel dem rechten, so wird zunehmend stärker komprimiert.

kleiner Regler - ungewöhnliche Wirkung

Der TDR regelt immer beide Kanäle zu gleichen Teilen runter, es kommt also niemals zu einer Verschiebung der Stereo-Mitte. Jedoch ignoriert er bei “0% Stereo Diff” jegliche Unterschiede zwischen Links und Rechts. Er verändert damit die Stereobreite des Bildes in Abhängigkeit vom Eingangsmaterial.
Dieser Effekt ist sowohl Chance als auch Gefahr zugleich. 0% Stereo Difference kann durchaus dynamisch und belebend klingen, es wirkt aber auch schneller unnatürlich.

Ein kleines Experiment: Spannende Ergebnisse habe ich erzielt, indem ich den TDR bei 0% Stereo Diff in eine MS-Kodierung eingebettet habe. Vor dem TDR verwandelt der Voxengo MSED Links und Rechts in Mitte und Seite. Nach dem TDR kommt der MSD dann nochmal zum Einsatz, um wieder ein Stereo-Signal herzustellen.
Lasst uns das in der Rockmusik anschauen: Typischer Weise knallt in der Mitte die Snare und die Bassdrum, gemeinsam mit all den Bassfrequenzen. Während an den Seiten die Gitarren sägen und Hallräume für Tiefe sorgen.
Wenn die “Saiten”signale abnehmen und die Mitte weiterballert, wird dennoch die Kompression geringer ausfallen, als bei verhältnismäßig lauten Seiten. Wenn die Gitarren zunehmen, drücken sie dann plötzlich auch die Mitte nach hinten.

Ich empfehle dieses Experiment eindeutig nicht für Eure (pre-)Master! Aber vielleicht findet Ihr ja neue Klänge oder Ihr haucht industriellen Synthklängen noch mehr Bewegung ein...
Außerdem kann ich mir dieses Setup als Test (!) im Mixbus vorstellen, um zu erproben, wie gleichmäßig Gitarren, Drums und Vocals verzahnt sind.

Delta - Was geschieht hier eigentlich?

Schließlich verfügt der TDR noch über eine Delta-Taste. Wird diese gedrückt, hören wir den Unterschied zwischen ursprünglichem und komprimiertem Signal. Diese Funktion kennt Ihr vielleicht aus De-Essern oder Entstörungs-Plugins, um zu überprüfen ob wirklich nur ungewollte Signalanteile entfernt wurden.
Hier hört Ihr “unter der Lupe”, was der Kompressor tatsächlich verändert. Wenn im Delta-Modus plötzlich all die seidigen Höhen, die groovigen Bass-Impulse oder die markanten Frequenzen der Snare auftauchen, dann solltet Ihr Eure Einstellung wahrscheinlich nochmal überdenken.

Weitere Merkmale

Der TDR Feedbackkompressor verfügt noch über mehr Möglichkeiten, die aber durchaus auch bei seinen Mitbewerbern zu finden sind und daher hier nur angerissen werden.

  • Per Sidechain Highpass können all zu energiereiche Bässe aus dem Regel-Signal entfernt werden, um nicht zu stark auf den Low-End zu reagieren. Wohlgemerkt betrifft dies nur die Ansprache des Kompressors, das gehörte Signal wird nicht gefiltert. Tipp: Gut gegen "Pumpen" und "Wabern". Tipp 2: für drückende Kick-Drums.
  • Mittels Dry Mix und Makeup können komprimiertes und unbearbeitetes Signal gemischt werden, um die beliebte Parallel-Kompression mit sauberer Phase anzuwenden. Tipp: Besonders schön auf Drumgruppen, aber auch auf einem Bus für Higain-Gitarren.
  • Per Soft Knee kann der Übergang zwischen unbearbeiteten und komprimierten Pegeln weicher gestaltet werden. Gerade bei höheren Ratios kann das natürlicher klingen.
  • Dazu kommen die traditionell bekannten Parameter eines Kompressors: Ratio, Threshold, Attack und Out Gain.
Überdies verfügt der TDR über einen ECO-Modus, der etwas weniger am Prozessor Eures Rechners zerrt. (Vermutlich wird die interne Sample- und/oder Bitrate dabei runter gesetzt.) Dafür geht allerdings ein wenig Qualität flöten (bei genauem Hören durchaus wahrnehmbar). Bezug dazu nehme ich in meinem abschließenden Jitter-Test.

JITTER-MESSUNG

Grade im Bereich dynamischer Plugins, versuche ich meinen Hör-Eindruck noch mit Messergebnissen zu ergänzen. Digitale Kompression ist besonders anfällig für das Phänomen sogenannter Jitter. Sie verursachen artifizielle Frequenzen, die nicht in harmonischem Bezug zum Eingangsmaterial stehen. Diese Störsignale sind zwar sehr leise, können sich aber im Mix unangenehm aufsummieren, das Klangbild weniger differenzierbar machen oder sogar als harsch und lärmig empfunden werden.
Tatsächlich ging mir das bei einer viel beworbenen Analog-Emulation eines namenhaften Herstellers so, noch bevor ich mich eingehender mit Jittern auseinander setzte. Als ich die Verdächtigen dann unter das Mikroskop nahm, war ich verblüfft, wie viele Jitter ich offensichtlich heraus gehört hatte. Denn das Messbild wimmelte vor recht intensiven, ungewollten Frequenzen. (Dazu wäre zu ergänzen, dass ich mein Hören nicht für überdurchschnittlich talentiert, sondern bestenfalls für trainiert halte.)

Beim Messen der Jitter gehe ich wie folgt vor: Ich benutze meine gewöhnliche Sample-Rate von 44.1kHz (ich lebe immer noch im CD-Zeitalter) und jage einen Test-Sinus von 750 Hz durch das zu messende Plugin. Wichtig ist, das der Teston kein Teiler der Sample-Rate ist. (44100 ÷ 750 = 58,8 ; also nicht ganzzahlig)
Nun wird der Kompressor auf extreme Werte eingestellt: hohe Ratio (in unserem Fall 7:1), schnellste Attack- und Release-Zeiten. Über den Threshold steure ich eine kontinuierliche Reduktion um 6dB an und dann lese ich die Jitter mithilfe des Freeware-Analyzers Voxengo SPAN ab.

Dabei zeigt der TDR FBC folgendes Bild:
Die roten Signalanteile treten im ECO-Modus auf.
Der starke Ausschlag links im Bild entspricht dem Testsinus, alle Peaks zu seiner Rechten werden durch die Arbeit des TDR erzeugt. Die hohen Pegel liegen bei den ungeraden Harmonischen der Grundfrequenz (3x, 5x, 7x und 9x). Wir kennen diese Überlagerung auch als Klirr (->Klirrfaktor). Sie sprechen (wie zu erwarten) dafür, dass der Sinus in Tendenz einer Rechteckschwingung verzerrt wird. Das Signal wird hier zwar verändert, aber noch in direktem Bezug zu seiner musikalischen Bedeutung.
Dazwischen liegen die fehlerhaften Jitter, die beim TDR verhältnismäßig gering ausfallen und somit den guten Höreindruck bestätigen. Die roten Peaks zeigen ein deutliches Ansteigen der Artefakte im ECO-Modus - was ebenfalls nicht verwundert. Im Übrigen lassen sich alle Artefakte durch das Nutzen höherer Sampleraten (z.B. 88,2kHz) weiter reduzieren; gesetzt den Fall Ihr opfert dafür Speicherplatz und Prozessorlast.
Auch unterhalb des Testtons konnte ich keine Verzerrungen messen. Solche Artefakte stelle ich allerdings nur bei Plugins mit simulierten analogen Bausteinen regelmäßig fest.


FAZIT: Der TDR Feedbackkompressor II ist keine eierlegende Wollmilchsau, sondern ein hochspezialisiertes Präzisionsinstrument. Seine intelligenten Parameter machen ihn dabei mächtiger und vielseitiger, als die meisten seiner kommerziellen Mitbewerber. Und auch im Punkto Klang schwimmt er so manchem Platzhirsch ganz entspannt davon.

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